Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 – Hinterbliebene fordern rasche Aufklärung
Der Absturz der deutschen Germanwings-Maschine 4U9525 in Südfrankreich ist eine der schlimmsten Flugzeugkatastrophen in der deutschen Luftfahrtgeschichte. Die Bergung des bei Seyne (Frankreich) abgestürzten Airbus A320 der Lufthansa-Tochter „Germanwings“ gestaltet sich schwierig. Die Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf. Es waren 150 Menschen an Bord, darunter 72 Deutsche. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen fahrlässiger Tötung.
Die Situation der Hinterbliebenen bleibt noch über Wochen und Monate quälend. Ein Schmerzensgeld für erlittene Seelenqualen durch den Verlust eines Angehörigen kennt das deutsche Recht nicht. Um größere Summen zu erhalten, müssen die Geschädigten darlegen, wie der Tod ihrer Angehörigen sie finanziell belastet. Am einfachsten ist dies, wenn etwa Unterhaltsansprüche von Kindern an verstorbene Eltern bestanden, die jetzt durch die Versicherer gezahlt werden müssen. Handelt es sich dagegen bei einem Opfer nicht um den Ernährer einer Familie, bleiben die Ansprüche oft vergleichsweise gering.
Zum Air-France-Flug 447 Unglück entschied ein französisches Gericht, den Angehörigen einer Flugbegleiterin eine Entschädigung von 20.000 EURO zuzusprechen. Die Richter gingen davon aus, dass das Unglück auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist.
Nach Informationen einer großen deutschen Zeitung sollen beim tragischen Concorde-Absturz (Air-France-Flug 4590) insgesamt rund 50 Millionen EURO gezahlt worden sein. Grund für die hohe Entschädigung sei der „amerikanische Faktor“. Denn nach dem Warschauer Abkommen gilt bei Abstürzen der Zielflughafen als Gerichtsstand für Entschädigungszahlungen, in diesem Fall New York.
Was ist bei einem Flugunfall zu tun?
Nach Art. 17 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommen (MÜ) hat ein sogenannter “Luftfrachtführer” (in der Regel ein Luftfahrtunternehmen) „den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat“ und es sich um ein luftfahrttypisches Risiko gehandelt hat.
Als Flugunfall ist dabei nicht nur ein Flugzeugabsturz (wie z.B. der Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 oder Air-France-Flug 447) anzusehen. Auch wenn ein Fluggast während einer Luftbeförderung an Bord eines Luftfahrzeuges durch ein bestimmtes Ereignis (Turbulenzen, Not-Sinkflug, Verbrühen mit heißem Kaffee beim Getränkeservice, giftige Dämpfe in der Kabinenluft u.ä.) körperlich verletzt oder getötet wird, ist ein Unfall gegeben.
Das Montrealer Übereinkommen sieht vor, dass Passagiere oder deren Angehörige einen Anspruch auf Entschädigung nachgewiesener materieller Schäden in Höhe von bis zu etwa 110.000 bzw. 150.000 EURO haben, ohne dass vorher die Schuldfrage geklärt sein muss.
Im Fall des Absturzes von Germanwings-Flug 4U9525 können Angehörige mit deutlich höheren Entschädigungen rechnen, da der Absturz offenbar vorsätzlich herbeigeführt worden ist. In einem solchen Fall ist die Begrenzung des Montrealer Übereinkommens nicht bindend. Die Folge ist, dass Schadensersatzzahlungen auch in Millionenhöhe möglich sind. Derzeit erhalten die Geschädigten des Fluges Germanwings-Maschine 4U9525 nach Aussage der Fluggesellschaft 50.000 EURO Soforthilfe. Hauptversicherer, der den Schadensersatz reguliert, ist die Allianz Versicherungsgesellschaft mit Sitz in München.
Die Übersetzung des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) finden Sie hier.
Hinterbliebene müssen die Klagefrist beachten
Bei dem internationalem Flug der Germanwings-Maschine 4U9525, der dem Montrealer Übereinkommen unterliegt, muss eine Klage auf Schadensersatz innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Dies ergibt sich aus Art. 35 Montrealer Übereinkommen. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist oder an dem es hätte ankommen sollen oder an dem die Beförderung beispielsweise durch einen Absturz abgebrochen worden ist.
Diese Frist ist eine Ausschlussfrist; wird sie versäumt, können keine Schadensersatzansprüche aus dem Montrealer Übereinkommen mehr geltend gemacht werden.
Bei anderen Flügen richtet sich die Klagefrist nach dem jeweils anzuwendenden Recht. Ist deutsches Recht anzuwenden, ist die Verjährung gemäß §§ 47, 39 LuftVG in Verbindung mit §§ 195, 199 BGB zu beachten: Danach verjähren die Ansprüche aus dem Luftbeförderungsvertrag grundsätzlich in drei Jahren. Das gilt auch für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit!
Die Frist beginnt mit dem Abschluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Fluggast von den Umständen, die den Anspruch begründ (also z.B. das Schadensereignis), und der Person des Schuldners (z.B. des Luftfrachtführers) Kenntnis erlangt haben muss (§ 199 Abs. 1 BGB). Das gilt auch, wenn Sie grob fahrlässig keine Kenntnis davon erlangt haben. Von grob fahrlässiger Unkenntnis spricht man, wenn der Geschädigte sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte beschaffen können oder wenn er die Augen vor einer sich aufdrängenden Erkenntnis verschlossen hat.
Ohne Anwalt läuft meist nichts?
Sie brauchen keinen Rechtsanwalt oder Fachanwalt einzuschalten, solange Ihre Forderung den Betrag von derzeit 5.000 EURO nicht übersteigt und damit beim Amtsgericht und nicht beim Landgericht anhängig gemacht werden muss. Da das Luftverkehrsrecht im Allgemeinen und die Berechnung der Fristen im Besonderen aber nicht unkompliziert ist, empfehle ich Ihnen unbedingt, zumindest den Rat eines Anwaltes für Luftverkehrsrecht einzuholen, bevor Sie alleine rechtliche Schritte unternehmen.
Grundsätzlich kann eine luftverkehrsrechtliche Streitigkeit von jedem Rechtsanwalt geführt werden. Es empfiehlt sich aber, einen Spezialisten aufzusuchen, der einschlägige Erfahrungen hat, weil er sich häufig oder schwerpunktmäßig mit dem Luftverkehrsrecht beschäftigt.